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08.07.2010

Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Ernst Prüsse zum Haushalt 2010 in der Ratssitzung am 8. Juli 2010

 , SPD-Ratsfraktion
SPD-Ratsfraktion


- Es gilt das gesprochene Wort -


Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

das Jahr 2010 ist ein Jahr, das in die Geschichte der Stadt Dortmund eingehen wird.

Es ist das Jahr, in dem die Wiederholung einer Oberbürgermeisterwahl stattgefunden hat.

Sehr erfolgreich für Ullrich Sierau, dem ich von dieser Stelle noch einmal ganz herzlich zu seinem souveränen Wahlsieg gratulieren möchte.

Und 2010 ist das Jahr, in dem wir knapp an einem Haushaltssicherungskonzept vorbei kommen werden.

Hier gilt mein Dank dem Stadtkämmerer Jörg Stüdemann und seinen Mitstreitern in der Stadtkämmerei.

Jörg Stüdemann hat geschafft, was viele Kämmerer in anderen Städten vor Neid erblassen lässt: er hat einen Haushalt vorgelegt und durch die Beratungen gebracht, der es der Stadt erlaubt, ohne Eingriffe der Bezirksregierung ihre Zukunft eigenständig zu gestalten.

Viele Jahre lang wurde hier davon gesprochen, dass unser Haushalt „diegelfrei“ sein müsse.
Dieses Ziel haben wir erneut erreicht.
Und das nicht etwa deswegen, weil Herr Diegel bald nicht mehr Regierungspräsident sein wird. Sondern weil wir einen Haushalt beschließen werden, der - insbesondere im Vergleich mit anderen Städten - mit einem Jahresfehlbetrag abschließt, der unterhalb des Schwellenwertes für ein Haushaltssicherungskonzept liegt.

Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

leider gibt es in unserer Stadt, ja sogar in diesem Hause, immer noch Menschen, die meinen, unsere Haushaltsprobleme seien selbstverschuldet.

Für diese alle noch mal zum Mitschreiben:
„Der kommunale Finanzierungssaldo zwischen Einnahmen und Ausgaben ist (...) gegenüber dem Vorjahr
um fast 15 Milliarden Euro abgestürzt. Hauptursache für die aktuelle Schieflage der Kommunalfinanzen
ist der Einbruch der konjunkturabhängigen Gewerbsteuer um 19,7 Prozent. Beim Gemeindeanteil der Einkommensteuer ergab sich im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 7,7 Prozent.“
Das hat uns die CDU/CSU-Bundestagsfraktion geschrieben.
Was ist daran selbstverschuldet?

Da wir die Finanzprobleme nicht selbst verursacht haben, können wir sie nicht selbst beseitigen.

Auch hierzu ein Zitat:
Wir sind „davon überzeugt, dass nur mit einer umfassenden strukturellen Reform des kommunalen Finanzgefüges die nachhaltige und dauerhafte Gesundung der Gemeindehaushalte geschafft werden kann.
Milliardenausfälle auf der Einnahmenseite und eine zusehends überbordende Belastung der Kommunen,
vor allem durch Grundsicherung, Eingliederungshilfe und Kosten der Unterkunft, darf nicht länger mit kleinen Trippelschritten begegnet werden. Sowohl die Einnahmeseite als auch die Ausgabenseite müssen jetzt auf den Prüfstand. Gleichzeitig muss hinterfragt werden, ob der Zuweisungsschlüssel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs die Veränderungen der Bevölkerungsstrukturen noch ausreichend abbildet.“
Das hat uns die FDP-Bundestagsfraktion geschrieben.
Nichts davon können wir hier vor Ort in Dortmund beeinflussen.

Wir müssen vielmehr darauf hoffen, dass sich die Bundesregierung und die neue Landesregierung ihrer Verantwortung stellen.

Aus Düsseldorf liest man dazu Gutes in der Koalitionsvereinbarung:
Es soll eine Konsolidierungshilfe für die durch Altschulden besonders belasteten Gemeinden geben. Ob und inwiefern wir in Dortmund etwas davon haben, lässt sich derzeit nicht sagen. Eventuell können wir für den Haushalt 2011 davon profitieren.

Aus Berlin dagegen hört man leider nur: Abschaffung der Gewerbesteuer. Das wäre allerdings eine erneutes Desaster für unsere Finanzen. Deshalb mein dringender Appell an die Gemeindefinanzkommission: Hände weg von der Gewerbesteuer!

Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

es ist uns in einem Kraftakt gelungen, unsere Haushaltsprobleme in den Griff zu bekommen.
Wir haben viele Maßnahmen beschlossen, die natürlich bei den Betroffenen selten auf Zustimmung gestoßen sind.

Wir werden zwei neue Steuern einführen:
Eine Betten- und eine Sexsteuer, die – auch wenn es so klingt – nichts miteinander zu tun haben.

Mit der Bettensteuer wollen wir die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für das Beherbergungsgewerbe ausgleichen, die uns Einnahmeausfälle beschert hat.

Mit der Sexsteuer wollen wir die Prostitution besteuern verbunden mit der Hoffnung, damit auch ordnungspolitische Lenkungseffekte auszulösen.

Verabschiedet haben wir uns von einer Idee, die bei einigen Menschen in dieser Stadt wieherndes Gelächter hervorgerufen hat, nämlich der Einführung einer Pferdesteuer. Wir mussten einsehen, dass damit nicht viel Geld zu machen ist.

Abgelehnt haben wir den Vorschlag der Verwaltung, die Hundesteuer zu erhöhen. Mit einer solchen Maßnahme würden wir, so unsere Sorge, vor allem Menschen treffen, für die Hunde eine wichtige soziale Funktion haben.

Weitere Steuererhöhungen haben wir vorerst nicht beschlossen.

Wir werden aber, wenn sich Bund und Land bei der Kommunalfinanzierung nicht bewegen, in den nächsten Jahren um eine Erhöhung der Gewerbesteuer und der Grundsteuer nicht herumkommen. Essen hat soeben die Grundsteuer B rückwirkend zum 1.1.2010 von 510 auf 590 Prozent erhöht. Wir haben immer noch 480 Prozent.
Duisburg hat, ebenfalls rückwirkend, die Gewerbesteuer auf 490 Punkte erhöht. Wir haben immer noch 468 Punkte.

Ich will die Diskussion über die Gewerbesteuer jetzt nicht beginnen, aber ich habe mich schon sehr darüber gewundert, dass der schärfste Kritiker der letzten Gewerbesteuererhöhung, Herr Schulte von der Signal Iduna,
neulich erklärt hat, das Sponsoring für den BVB zu verstärken.
Das freut mich natürlich für den Verein, beweist mir aber auch, dass es der Versicherung so schlecht nicht gehen kann, dass sie im Notfall nicht auch noch eine weitere Gewerbesteuer-Erhöhung verkraften kann.

Aber darüber reden wir ein andermal. Und deshalb werden wir alle Anträge, die Steuer jetzt schon zu erhöhen,
konsequent ablehnen.

Heftige Diskussionen, wenn auch im Wesentlichen hinter verschlossenen Türen, hat die Forderung des Kämmerers an die Stadttöchter ausgelöst, finanzielle Unterstützung für die Stadt zu leisten.

Insbesondere der Stadtwerke-Chef, der schon vorher in einer Fachzeitschrift erklärt hatte, „wir haben mit dem Kämmerer vereinbart, nicht auszuschütten“, hat sich recht schwer getan und das Gespenst eines ausgezehrten Stadtwerke-Konzerns an die Wand gemalt.

Schlussendlich hat aber auch er eingesehen, dass zur kommunalen Trägerschaft bei der Daseinsvorsorge auch gehört, dass die Töchter der Mutter im Ernstfall helfen.

Denn wir haben selbstverständlich - und das sage ich auch an die Adresse des Betriebsrats – genauestens darauf geachtet, dass wir die Substanz unserer Unternehmen nicht gefährden.

Für die Unterstützung danke ich den Geschäftsführern und den Beschäftigten der städtischen Gesellschaften.
Sie alle unterstützen die Stadt mit Barleistungen oder durch die Übernahme von kommunalen Aufgaben. Wir sind in Dortmund eben doch eine große Familie!

Auf der Ausgabenseite haben wir größte Disziplin gewahrt.

In Zeiten, wo es vordringlich darum geht, vorhandene Leistungen zu erhalten und Einrichtungen weiter zu betreiben, können wir nicht das Füllhorn ausschütten.

Weiter betreiben wollen und müssen wir natürlich den Aktionsplan Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Wenn für den 4. September wieder eine Demonstration von Rechtsradikalen angekündigt ist, können wir darauf nicht mit Kürzung oder gar Einstellung der Mittel reagieren.

Aber: hier handelt es sich eindeutig um eine sogenannte „freiwillige Leistung“, die wir ohne genehmigten Haushalt nicht erbringen dürfen. Das unterstreicht noch einmal, wie wichtig es ist, dass wir heute den Haushalt
mit einem Etatposten für den Aktionsplan beschließen.

Weitere kleinere Ausgabepositionen, die uns wichtig sind, betreffen den Bereich der Sicherheit.

Eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit unserer Mitbürger wegen fehlender Feuerwehreinrichtungen und Rettungswagen-Einrichtungen halten wir für unakzeptabel. Deshalb haben wir auch hier Mehrausgaben beschlossen.

Unterstützen wollen wir auch weiterhin soziale Einrichtungen wie den Gesundheitsladen Pudelwohl und das Arbeitslosenzentrum. Hier wollen wir die städtischen Zuschüsse konstant halten. Aber was nicht mehr geht: dass wir die Streichung von Zuschüssen Dritter auffangen. Wir sind nicht der Ausfallbürge für Land oder Bund!

Dass Jugend, Familie und Bildung Schwerpunkte unserer Politik sind, ist in unserem Wahlprogramm vom letzten Jahr nachzulesen. Deshalb ist es nur konsequent, dass wir im Bereich von Schulbaumaßnahmen,
insbesondere beim Ausbau des Ganztagsbetriebs an Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien verstärkte finanzielle Anstrengungen fordern.

Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

ein genehmigter Haushalt bzw. einen Haushalt ohne Haushaltssicherungskonzept ist kein Selbstzweck.
Es ist keine Sache, die nur den Kämmerer und die Finanzpolitiker interessiert. Sondern das berührt jeden Menschen in unserer Stadt.

Denn Städte mit einem nicht genehmigten Haushalt sind in ihrer Handlungsfähigkeit massiv eingeschränkt:

- Sie müssen ihre freiwilligen Leistungen zurück fahren; und das sind ausgerechnet diejenigen Leistungen,
die für Familien, Kinder und Jugendliche so wichtig sind;

- Sie dürfen keine Ausbildung vornehmen; und das ausgerechnet in einer Zeit, wo überall Ausbildungsplätze fehlen;

- Sie dürfen keine Beförderungen vornehmen; und das ausgerechnet zu einer Zeit, wo wir von den städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besondere Leistungen erwarten.

Aus Wuppertal kam vor zwei Tagen folgende Horrormeldung:
„Die Öffnungszeiten der Wuppertaler Freibäder ändern sich derzeit fast täglich. In der offenen Jugendarbeit sind nicht genug Mitarbeiter vorhanden. Und beim Gesundheitsamt können Untersuchungen nicht durchgeführt werden. Was derzeit geschieht, sind die ersten Auswirkungen davon, dass es der Stadt Wuppertal verboten ist,
frei werdende Stellen wieder zu besetzen – vor allem, wenn es um so genannte freiwillige Leistungen geht. Der Grund: Wuppertal befindet sich im Nothaushaltsrecht, und die Düsseldorfer Bezirksregierung untersagt in ihrer Eigenschaft als kommunale Aufsichtsbehörde die Wiederbesetzung der Stellen.“

Das heißt: eine Stadt ohne Haushalt ist eine Stadt, die handlungsunfähig ist.

Und deshalb finde ich es unverantwortlich, dass die GRÜNEN, die sich auf Landesebene so konstruktiv in die Regierungsbildung eingebracht haben, hier in Dortmund in Fundamentalopposition machen und den Haushalt ablehnen.

Wenn das alle machen würden, hätten wir keinen Haushalt für das Jahr 2010.
Und ohne Haushalt, meine Damen und Herren, hätten wir schneller Wuppertaler Verhältnisse, als wir gucken können.

Dann könnte auch der Aktionsplan Soziale Stadt nicht fortgesetzt werden, dann hätten wir keine Mittel für den Kampf gegen Rechtsextremismus, um nur zwei Themen zu nennen, die bisher auch den Grünen wichtig waren.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen: wollen Sie das?

Aber das Verhalten der Grünen hat sich ja schon unmittelbar nach der Kommunalwahl angedeutet beim Versuch,
zu einer Neuauflage der rot-grünen Zusammenarbeit zu kommen. Damals haben die Grünen schnell klar gemacht, dass sie nur dann Verantwortung übernehmen wollen, wenn es was zu verteilen gibt und nicht, wenn gespart werden muss.
Aber so ist das nun mal, wenn man meint, den besseren Kämmerer in den eigenen Reihen zu haben, nicht wahr, Herr Krüger?

Die Dortmunder Grünen, meine Damen und Herrn, haben sich als reine Schön-Wetter-Partei erwiesen,
die sich bei stürmischen Zeiten in ihr Oppositions-Schneckenhaus verziehen und keine Verantwortung übernehmen wollen.

Stattdessen versprechen sie allen möglichen Gruppen, sich für sie einzusetzen, um dann hinterher mit dem Finger auf andere zu zeigen nach dem Motto: „wir wollten Euch ja Geld geben, aber die bösen Sozis waren dagegen“.

Aber so macht man keine verantwortungsbewusste Politik für die Menschen. Wer regierungsfähig sein will,
muss auch in stürmischen Zeiten seinen Kopf hinhalten. Dortmunds Grüne können das nicht!

Ganz anders das Verhalten der CDU. Sie hat durchaus konstruktive Vorschläge für den Haushalt gemacht,

Manches, was die CDU will, haben wir nicht mit beschlossen. Manches – obwohl als Prüfauftrag formuliert –
hat schon Aufregung bei den Mitarbeitern hervorgerufen. Entscheidend ist: Die CDU stimmt dem Haushalt zu und sichert damit die Handlungsfähigkeit unserer Stadt.

Mit ihrem heutigen Abstimmungsverhalten sorgt die CDU dafür, dass die haushaltslose Zeit endet und wieder Handlungsspielräume für Oberbürgermeister Sierau, seine Verwaltung und die gesamte Politik eröffnet werden.

So übernimmt man echte Verantwortung für Dortmund!

Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

wir beschließen heute, am 8. Juli, den Haushalt für das laufende Jahr. Das ist – freundlich formuliert – etwas spät. Eigentlich muss der Haushalt bereits im Vorjahr beschlossen werden. Aber da wir den Entwurf erst am 25. März erhalten haben, konnten wir nicht schneller beraten und entscheiden.

Für 2011 hat der Stadtkämmerer ein anderes Verfahren angekündigt: Schon im September 2010 werden wir den Entwurf erhalten, Und im Dezember soll der Haushalt beschlossen werden. So ist es gesetzeskonform.

Das bedeutet aber, dass wir weniger Zeit für die Beratungen haben werden als in diesem Jahr und dass wir noch weniger Spielräume haben werden als dieses Jahr.

Deshalb appelliere ich schon heute an Sie alle: Lassen Sie uns für den Haushalt 2011 größte Ausgabendisziplin auferlegen, damit wir auch zukünftig ein Haushaltssicherungskonzept vermeiden und die Handlungsfähigkeit der Stadt sicher stellen können.


Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,

die letzten 12 Monate waren von heftigen Wahlkampfauseinandersetzungen und wilden politischen Scharmützeln geprägt. Diese Zeiten sind vorbei.

Die nächsten Jahre stehen im Zeichen eines neuen Aufbruchs für Dortmund.

Wir haben viele Aufgaben zu erledigen, aber auch die Chance, jetzt das zu ernten, was wir in den vergangenen Jahren gesät haben:

· die endgültige Eröffnung des Dortmunder U steht an,
· nächstes Jahr werden die Thier-Arkaden öffnen,
· der Hauptbahnhof wird weiter saniert,
· der Phoenix-See wird vollaufen und besiedelt,
· 2014 bekommen wir ein Fußballmuseum.

Und bald wird auch der BVB mal wieder Deutscher Meister.

Das sind doch Perspektiven, oder?

Dortmund hat Zukunft.
Lassen Sie uns gemeinsam in diese Zukunft aufbrechen!