Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Ernst Prüsse zur Ratssitzung am 26.11.2009

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,
Haushaltsberatungen gelten als Sternstunden des Parlaments.
Wir, die gewählten Repräsentanten der Dortmunder Bevölkerung, entscheiden über die Finanzen der Stadt, über Einnahmen und Ausgaben, über politische Schwerpunktsetzungen.
Nun beraten und entscheiden wir normalerweise über einen Haushalt für ein Jahr oder – wie beim Doppelhaushalt – über zwei Jahre.
Heute dagegen geht es um einen Haushalt für vier Wochen.
Das ist rekordverdächtig kurz.
Trotzdem haben wir uns mit den vorgelegten Maßnahmenkatalogen und Listen gründlich und intensiv beschäftigt. Denn was wir heute beschließen, hat Auswirkungen auf die zukünftigen Haushaltsjahre.
Es geht darum, dass wir aus eigener Kraft mit unseren Finanzproblemen fertig werden und eine Haushaltspolitik machen, die nicht von außen gesteuert wird.
Wir müssen nur in unsere unmittelbare Umgebung blicken, um zu sehen, was politisches Handeln unter der Haushaltssicherung bedeutet.
In Essen wollten man ein Sozialticket einführen – es ist vom Regierungspräsidenten verboten worden. Wir in Dortmund konnten ein solches Ticket schaffen.
In Oberhausen und Gelsenkirchen wollte man ausbleibende Landesmittel bei der Kinderbetreuung mit städtischen Mitteln ausgleichen – der Regierungspräsident hat eine Erhöhung der Kindertagesstättengebühren angeordnet. Wir in Dortmund haben unsere Gebührensätze niedrig halten können.
Das sind nur zwei Beispiele, die verdeutlichen, warum wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, aus eigener Kraft die Haushaltsprobleme in den Griff zu kriegen.
Es handelt sich übrigens um Haushaltsprobleme, die nicht hausgemacht sind. Jeder, der in der Lage ist, ein wenig über den eigenen Kirchturm zu schauen, wird sehen, dass alle deutschen Kommunen von der Finanzkrise betroffen sind.
Überall gehen die Steuereinnahmen zurück, überall steigen die Ausgaben – vor allem im Sozial- und Jugendbereich.
Vor allem aber haben unserer heutigen Haushaltsberatungen nichts damit zu tun, wann die Haushaltprobleme erkannt wurden.
Was wir heute diskutieren, hat nichts mit der obskuren Pressekonferenz am Tag nach der Kommunalwahl zu tun. Wer hier einen Zusammenhang konstruiert, muss sich sagen lassen: Thema verfehlt!
Wir werden bei der Ratssitzung in zwei Wochen ausführlich und auf der Grundlage von Rechtsgutachten darüber entscheiden, ob irgendjemand bestimmte Informationspflichten vernachlässigt hat oder nicht und ob das Auswirkungen auf das Wahlergebnis gehabt hat.
An der derzeitigen Haushaltssituation hätten sich so oder so nichts geändert.
Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
wenn ich eingangs gesagt habe, Haushaltsberatungen sind die Sternstunden des Parlaments, so gilt das besonders für die diesjährigen Beratungen. Denn wir werden heute in selten gewordener Transparenz unsere Positionen zum Haushalt austauschen und nach Mehrheiten suchen.
Nach dem die Kooperationsverhandlungen zwischen SPD und GRÜNEN gescheitert sind, gibt es keine klaren Mehrheits- und Minderheitsblöcke mehr. Ab heute beginnt das freie Spiel der politischen Kräfte.
Wie war es bisher?
Bisher waren die Haushaltsberatungen ein Ritual, das nach folgendem Muster ablief: die Verwaltung legte einen Entwurf vor, SPD und GRÜNE berieten jeweils für sich den Entwurf und einigten sich dann in mehreren Verhandlungsrunden auf einen gemeinsamen Haushaltsbegleitantrag. Schon vor Beginn der Sitzung war klar, dass dieser Antrag eine Mehrheit bekommen und die Anträge anderer Fraktionen abgelehnt werden würden.
Das mag effizient sein, transparent für die Bevölkerung ist es nicht.
Niemand wusste bei diesem Verfahren, was eine rote und was eine grüne Position war. Niemand wusste, welche Position ein guter und welche ein fauler Kompromiss war.
Das ist heute alles anders.
Auch heute haben wir Anträge von allen Fraktionen vorliegen – aber heute hat jeder hat die gleiche Chance, eine Mehrheit zu finden.
Wir werden gleich über jeden Punkt aus jedem Fraktionsantrag einzeln abstimmen. Und dann wird mal die eine und mal die andere Fraktion eine Mehrheit bekommen. Und es wird passieren, dass Anträge abgelehnt werden – auch SPD-Anträge.
Ob davon die Welt untergeht, mögen dann die Bürgerinnen und Bürger entscheiden.
Auf jeden Fall wird für alle klar und deutlich, was die Mehrheit in diesem Hause will, und was eine Minderheitenposition ist.
Auch heute wird es Kompromisse geben, aber heute ist klar, wie sie zustanden gekommen sind und jeder Bürger kann einschätzen, ob es sich um einen guten oder um einen faulen Kompromiss handelt.
Und wenn ein Antrag keine Mehrheit bekommt, können die Bürger entscheiden, ob es dafür wirklich gute Gründe gibt oder ob es nur darum ging, einer Fraktion eins auszuwischen.
Und natürlich können die Medienvertreter heute Strichlisten führen, wer sich wie oft durchgesetzt hat. Und dann können sie Rot-Grün oder Rot-Schwarz oder Jamaika zum Sieger des Tages ausrufen. Aber das bringt die Bürgerinnen und Bürger nicht weiter.
Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir heute Abend sagen könnten: nicht eine Farbkonstellation hat gesiegt, sondern unsere Stadt!
Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
damit komme ich zu den Inhalten unseres Haushaltsantrags.
Die von der Verwaltung vorgesehenen Kürzungen in den Bereichen Soziales, Kinder und Bildung möchten wir in dieser Form nicht mitmachen.
Das Freibad Stockheide soll nicht geschlossen werden und die verbliebenen vier Bezirks-Hallenbäder, u.a. das in Hombruch, sollen durch Vereine oder mit alternativen Betreibungskonzepten erhalten bleiben.
Das Sozialticket wollen wir solange erhalten, bis ein verbundesweites Sozialticket durch den VRR angeboten wird. Das Ticket soll zukünftig 28 Euro (mit Preisindex analog VRR-Tarif) kosten und zu den geltenden Nutzungsbedingungen fortgeführt werden.
Bei den Ordnungspartnerschaften sollen nicht drei Stellen wegfallen, wie es in der Sparliste der Verwaltung steht. Stattdessen wollen wir den Ordnungsdienst von 26 auf 35 Stellen aufstocken. Das zusätzliche Personal kann dafür haushaltsneutral durch die verwaltungsinterne Personalagentur bereit gestellt werden.
Bei den Bezirksvertretungen möchten wir die investiven Mittel befristet nur um 25% zu kürzen. Insbesondere die bezirklichen Zuschüsse an andere Bereiche, das sind die unverzichtbaren Mittel zur Vereinsförderung in den Stadtbezirken, möchten wir unangetastet lassen.
Die stadtweiten Seniorenbüros wollen wir als eigenständige Organisationseinheiten erhalten.
Die Kürzungen für die Wohlfahrtsverbände sollen moderater ausfallen und nur noch 10% statt 20% umfassen.
Einschränkungen beim Betrieb des Drogenkonsumraums sollen ausgeschlossen sein.
Für die Jugendfreizeitstätten soll ein Entwicklungskonzept erarbeitet werden, bevor vorschnell die Streichung von 32 Halbtagsstellen erfolgt.
Das Familienprojekt soll in seiner Struktur mit seinen Familienbüros flächendeckend erhalten bleiben.
Wir möchten die Verwaltung beauftragen, vor einer Entscheidung über die Schließung einzelner Schulstandorte gemeinsam mit der Schulaufsicht ein geordnetes Verfahren mit Beteiligung der Schulen in Gang zu setzen und dem Rat anschließend einen sachgerechten Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten.
Bei der Ratsarbeit selbst sehen wir weitere Einsparpotentiale.
Die Bewirtung bei Ausschüssen und Ratssitzung wurde schon auf ein Minimum zurückgefahren. Wir können uns auch vorstellen, die Ratsabschlussfeier auszusetzen und die jährliche Mediennacht nicht mehr durchzuführen, wenn dafür städtische Mittel eingesetzt werden müssen.
Auf der anderen Seite wollen wir auf der Einnahmeseite in Zeiten der Wirtschaftskrise die örtliche Wirtschaft nicht zu sehr belasten und deshalb die Gewerbesteuer nur auf 468 v.H. erhöhen und nicht, wie die Verwaltung es vorschlägt, auf 475 v.H.
Weitere Details werden im Verlauf der Beratungen diskutiert.
Meine sehr geehrte Damen und Herren,
wir haben Ihnen heute ungefilterte sozialdemokratische Positionen zum Nachtragshaushalt 2009 vorgelegt und würden uns freuen, Ihre Zustimmung zu erhalten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.