Stellungnahme des SPD-Fraktionsvorsitzenden Ernst Prüsse zur Frage der Kostenübernahme von Gerichts- und Anwaltskosten im Zusammenhang mit den Klagen gegen die Wahlwiederholung

1. Die SPD-Ratsfraktion erhält aus dem städtischen Haushalt 550.000 Euro pro Jahr für die sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung. Damit werden sämt-liche Kosten bestritten, die für den Betrieb der Fraktionsgeschäftsstelle erforderlich sind: zum Beispiel die Gehälter der Fraktionsmitarbeiter, Kosten für Bürotechnik und - materi-al, Porto- und Telekommunikationskosten, Kosten der Fortbildung der Fraktions¬mitglieder und der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion. Über die Verwendung der Zuwendungen wird ein Nachweis in einfacher Form geführt, der einmal jährlich un¬mittelbar dem Oberbürgermeister zugeleitet wird.
2. Welche Kosten im Einzelnen aus den Fraktionszuwendungen bestritten werden dürfen und welche nicht, regelt ein Erlass des nordrhein-westfälischen Innenministeriums aus dem Jahr 1989. Darin findet sich eine Zusammenstellung von „Aktivitäten kommunaler Vertretungen im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verwendung von Zuwendungen aus Haushaltsmitteln“. Es heißt dort ausdrücklich: „Die Zusammenstellung hat weder ab-schließenden noch endgültigen Charakter.“ Weder in der Zusammenstellung der zulässi-gen noch in der Zusammenstellung der unzulässigen Verwendung von Fraktionsmitteln taucht ein Hinweis auf Anwalts- und Gerichtskosten auf.
3. Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Fraktion entschieden, für die Anwalts- und Ge-richtskosten der Kläger gegen die Wahlwiederholung in Vorleistung zu treten. Denn die Klagen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Fraktion. Der Rats-beschluss zur Wahlwiederholung stellte den Fortbestand der Fraktion in Frage, führt dazu, dass die Fraktion aufgelöst wird und die Arbeit der Fraktionsgeschäftsstelle eingestellt werden muss. Darüber hinaus sieht es die Fraktion als ihre Aufgabe an, den klagenden Ratsmitgliedern Rechtsschutz gegen einen Beschluss des Rates zu gewähren.
4. Die SPD-Fraktion ist zu Beginn des Verfahrens Ende 2009 davon ausgegangen, dass eine Übernahme, zumindest aber ein Vorstrecken dieser Kosten zulässig ist. Dies gilt umso mehr, als die Fraktion bis zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts am 15.12.2011 davon ausgehen konnte, dass es sich beim dem Rechtsstreit um ein sogenanntes „Organstreit¬verfahren“ handelt. Bei einem Organstreitverfahren klagt ein Organ (hier: 10 SPD-Ratsmitglieder) gegen ein anderes Organ (hier: den Rat der Stadt Dortmund). Bei einem Organstreitverfahren ist die Stadt verpflichtet, sämtliche Kosten zu übernehmen. Die SPD-Fraktion konnte also davon ausgehen, dass die Kosten des Rechtstreits – auch im Falle einer Prozessniederlage – in jedem Fall von der Stadt erstattet werden.
5. Dies hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit seinem erstinstanzlichen Urteil bestä-tigt. Es hat den Klägern vollumfänglich recht gegeben und ausdrücklich festgestellt, dass es sich um ein Organstreitverfahren handelt. Daraufhin hat die SPD-Fraktion eine Erstat-tung der bis dahin aufgelaufenen Gerichts- und Anwaltskosten – ca. 120.000 Euro – von der Stadt erbeten und auch erhalten.
6. Am 13.12.2011 ist der SPD-Fraktion vom Oberbürgermeister ein Schreiben der Bezirks¬regierung zugeleitet worden, in dem es heißt: „Die Zahlung von Rechtsanwalts- und Ge-richtskosten in Vorleistung für einzelnen Ratsmitglieder ist keine solche Aufwendung für die Geschäftsführung der Fraktion.“ Zugleich hat der Oberbürgermeister der SPD-Fraktion eine Stellungnahme des städtischen Rechtsamts vom 4.8.2011 zugeleitet, in dem es im Gegensatz dazu heißt: „Die Übernahme von Aufwendungen einzelner Ratsmitglie¬der für deren Klagen gegen die Wahlprüfungsentscheidung des Rates kann in diesem Sin-ne als Aufwendung der Fraktion für personelle Betriebsmittel verstanden werden.“ Das Schreiben der Bezirksregierung steht insofern in krassem Gegensatz zu dem oben erwähn-ten Erlass des Innenministers aus dem Jahr 1989 und der Einschätzung des Rechtsamts.
7. Am 15.12.2011 hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Klagen abgewiesen werden, aber auch festgestellt, dass es sich um kein Organstreitverfahren handelt. Daraus ergibt sich, dass die Stadt nicht verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die SPD-Fraktion hat deshalb noch im Jahr 2011 als erste Rate 80.000 Euro an die Stadt zu-rück gezahlt, die restlichen 40.000 Euro werden in Kürze angewiesen.
8. Das Oberverwaltungsgericht hat durch sein Urteil deutlich gemacht, dass der frühere Oberbürgermeister und die frühere Stadtkämmerin durch ihre Fehlinformation eine Amts-pflichtverletzung begangen haben. Für Amtspflichtverletzungen ihrer (ehemaligen) Mitar-beiter haftet jedoch die Stadt. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Stadt Dortmund im Rahmen der Amtshaftung die gesamten Kosten des Rechtstreits übernehmen muss.
Zusammenfassend:
Die SPD-Fraktion konnte bis zum Urteil des Oberverwaltungsgerichts am 15.12.2011 davon ausgehen, dass es sich bei dem Rechtstreit um ein Organstreitverfahren handelt, bei dem sämtliche Kosten in jedem Fall von der Stadt zu tragen sind. Sie hat deshalb – auch vor dem Hintergrund der Erlasslage des Innenministeriums NRW – die Gerichts- und Anwaltskosten vorgestreckt.
Die SPD-Fraktion geht weiter davon aus, dass nicht nur die Vorleistung, sondern auch die Übernahme der Gerichts- und Anwaltskosten der Kläger zulässig ist, weil die Klagen in en-gem Zusammenhang mit der Existenz und der Arbeit der Fraktion stehen und gesetzliche Be-stimmungen dem nicht entgegen stehen.